Gebet

Wären wir uns unserer Verpflichtungen bewußt - wie könnten wir dann einen ganzen Tag verbringen, ohne daran zu denken, daß wir eine Seele haben?

Aus dem täglichen Gebet muß die immer neue Begradigung unseres Weges hervorgehen, damit wir nicht von ihm abkommen.

Wer aufhört zu beten, lebt noch eine Weile von seinen spirituellen Reserven - und danach vom Schwindeln.

Die geistliche Betrachtung: Zu einer bestimmten Zeit, zu einer festgesetzten Stunde. Wenn wir nämlich unsere Gebetszeit nach Lust und Laune ansetzen, dann ist dies ein Mangel an aszetischem Geist. Und das Gebet ohne Aszese ist wenig wirksam.

Dir fehlt es an innerem Leben. Du schließt in dein Gebet weder die Anliegen der Deinen noch die Sorge um neue Berufungen ein; du bemühst dich weder darum, klar zu sehen, noch konkrete Vorsätze zu fassen, noch sie zu erfüllen; du suchst die Nähe Gottes nicht beim Studium, nicht bei der Arbeit, nicht bei deinen Gesprächen und nicht im Umgang mit den anderen.

Wie also ist es um dein Bewußtsein der Gegenwart Gottes bestellt, das ja sowohl Wurzel als auch Frucht deines Gebetes sein soll?

So? Du konntest es nicht, weil du keine Zeit hattest? Du hast Zeit. Außerdem: was soll aus deiner Arbeit werden, wenn du sie nicht in der Gegenwart Gottes bedenkst, um Ordnung in sie hineinzubringen? Wie willst du denn dein tägliches Arbeitspensum gut erfüllen ohne das Gespräch mit Gott? Du argumentierst wie jemand, der sagt, er könne leider nicht studieren, weil ihn das Unterrichten zu sehr in Anspruch nehme…, aber ohne Studium kannst du eben auch keinen nützlichen Unterricht erteilen.

Das Gebet hat immer Vorrang. Wenn du das einsiehst, aber trotzdem nicht danach handelst, dann behaupte nicht, du hättest keine Zeit: Du willst einfach nicht!

Gebet, noch mehr Gebet! Das erscheint angesichts des Umstandes, daß du wegen der Prüfungen in der intensivsten Arbeit steckst, fast paradox… Doch du brauchst das Gebet! Und zwar nicht nur die gewohnte Zeit der Betrachtung, sondern Gebet gerade auch zwischendurch, in den Augenblicken des Leerlaufs, in den Pausen zwischen dieser und der nächsten Arbeit. Kurz: beten, anstatt die Gedanken an Belangloses zu verschwenden.

Es macht nichts aus, wenn es dir trotz deines Bemühens nicht gelingt, dich zu konzentrieren, dich zu sammeln. Ein solches Beten kann viel wertvoller sein als die Zeit der Betrachtung in der ungestörten Ruhe einer Kirche.

Um es wirklich fertigzubringen, den ganzen Tag im Bewußtsein der Gegenwart Gottes zu durchleben, empfiehlt es sich, diesen Tag mit einer "Audienz" bei Jesus Christus zu beginnen.

Das Gebet ist kein Vorrecht für Mönche. Es ist Pflicht und Aufgabe aller Christen, der Männer wie der Frauen, die in der Welt leben und wissen, daß sie Kinder Gottes sind.

Selbstverständlich sollst du deinem Weg weiter folgen: ein Mensch der Tat, berufen zur Kontemplation.

Ein Katholik, der nicht betet?… Das ist wie ein Soldat ohne Waffen.

Danke dem Herrn für das wunderbare Geschenk, das Er dir gemacht hat, als Er dir die Augen dafür öffnete, daß "nur eines notwendig" ist. Und verbinde mit deinem Dank auch jeden Tag die inbrünstige Bitte für alle, die Ihn noch nicht kennen oder Ihn nicht verstehen.

In der Zeit, als einige Freunde versuchten, dich zu gewinnen, fragtest du dich, woher sie die innere Stärke und das überspringende apostolische Feuer nahmen. - Jetzt, da du selber betest, begreifst du, daß das Gebet die Quelle ist, deren Wasser das Umfeld der Kinder Gottes befruchtet.

Du mißachtest das Gebet. Kommt das nicht letztlich daher, daß du Angst hast und die Anonymität suchst? Daß du es also nicht wagst, mit Christus von Angesicht zu Angesicht zu sprechen?

Du siehst, man kann dieses Mittel auf mancherlei Weise "verachten" und dabei doch so tun, als achte man es.

Gebet: Zeit heiliger Vertrautheit mit Ihm - und fester Entschlüsse.

Wie sehr begründet war das Gebet dieses Christen: Herr, verlaß mich nicht! Siehst Du nicht, wie "jener andere" mich nach unten zieht?

Wird der Herr meine Seele von neuem entflammen? Der Verstand und eine tiefe, wie aus großer Ferne herandrängende Sehnsucht - vielleicht ist es die Hoffnung - sagen "ja"… Andererseits bemächtigt sich des schwankenden Herzens und des schwachen Willens eine lähmende Schwermut, die alles erstarren läßt, bitter macht und wie hinter einer narrenden Maske verbirgt.

Höre die Verheißung des Heiligen Geistes: "Denn nur noch eine kurze Zeit, dann wird der kommen, der kommen soll, und Er bleibt nicht aus. Mein Gerechter aber wird durch den Glauben leben."

Das wahre Gebet, das den ganzen Menschen gleichsam absorbiert, wird nicht so sehr durch die Einsamkeit der Wüste gefördert, als vielmehr durch die innere Sammlung.

Wir beteten draußen im Freien, es war später Nachmittag, der Abend dämmerte schon. Einem zufälligen Passanten mag die kleine Szene recht sonderbar vorgekommen sein: Wir saßen ziemlich verstreut auf dem Boden, und nur hin und wieder wurde die Stille vom Vorlesen einiger Betrachtungspunkte unterbrochen.

Dieses Gebet auf freiem Felde - den Herrn bestürmende Bitten für alle Anwesenden, für die Kirche, für die Menschen - drang zum Himmel und wurde fruchtbar…, die Begegnung mit Gott ist an jedem Ort möglich.

Mir gefällt es, daß du im Gebet gern viele Kilometer zurücklegst: Dir stehen andere Länder vor Augen, du siehst im Geiste Menschen anderer Rassen an dir vorüberziehen, du hörst im Geiste eine Vielfalt von Sprachen… Es ist, als halle in dir das Gebot Jesu Christi wider: "Euntes docete omnes gentes" - gehet hin und lehret alle Völker.

Du willst aufbrechen und die fernsten Fernen erreichen… Stecke mit diesem Feuer der Liebe alle in deiner Nähe an! Du wirst deine Träume und Sehnsüchte erfüllt sehen - noch früher, noch mehr und schöner, als du erwartest.

Dein Gebet mag dann und wann zu einem Nachdenken werden; gelegentlich - selten vielleicht - wird es voller Inbrunst sein, manchmal - vielleicht sehr oft - wirst du nur innere Trockenheit, nichts als Trockenheit verspüren… Entscheidend ist allein, daß du - mit Gottes Hilfe - dich nicht entmutigen läßt. Denke an den Soldaten, der Wache hält: Er weiß nicht, ob das Staatsoberhaupt, der König im Palast anwesend ist, und auch nicht, was er tut. Und ebensowenig weiß in der Regel der Beschützte, wer für ihn Wache hält.

Bei Gott, unserem Vater, ist das ganz anders: Er wohnt, wo du wohnst. Er kümmert sich um dich. Er kennt dich vollkommen und weiß deine geheimsten Gedanken. Verlaß also nie diesen Wachtposten des Gebetes.

Sieh doch, mit wie vielen an sich einleuchtenden Scheingründen der Feind dich dahin zu bringen sucht, daß du das Beten aufgibst! Zum Beispiel: "Ich habe keine Zeit" - und dabei vergeudest du sie reichlich - oder "das liegt mir nicht" oder "mein Herz empfindet gar nichts" und so fort…

Das Beten ist keine Frage des Redens oder Fühlens, sondern der Liebe. Und allein schon das Bemühen, dem Herrn etwas sagen zu wollen, ist ein Zeichen dieser Liebe - auch wenn man gar nichts sagt.

"Eine Minute intensiv beten, das genügt." Ausspruch von einem, der niemals betete…

Könnte, wer liebt, je begreifen, daß es genügen soll, den geliebten Menschen eine Minute lang konzentriert anzusehen?

Dieses heiße Verlangen, in den Schlachten Christi zu kämpfen und zu siegen, kann nur durch Gebet und Opfer, durch Glaube und Liebe erfüllt werden. Also: beten, glauben, leiden… und die LIEBE lieben.

Die Abtötung ist die Zugbrücke, über die wir in die Burg des Gebetes gelangen.

Gib nicht auf! Mag ein Mensch noch so unwürdig sein, mag sein Gebet noch so unvollkommen erscheinen: Wenn es demütig und beharrlich aus dem Herzen aufsteigt, wird Gott es immer erhören.

Herr, so betete ein Büßer, ich verdiene es nicht, daß Du mich erhörst. Dann fügte er hinzu: Jetzt aber erhöre mich, "quoniam bonus" - weil Du gut bist.

Der Herr hatte seine Jünger ausgesandt, das Reich Gottes zu verkündigen. Nachdem sie zurückgekehrt sind, ruft Er sie zusammen und lädt sie ein, sich mit Ihm an einen Ort der Stille zurückzuziehen, um sich ein wenig zu erholen… Welche Fragen wird Jesus ihnen dort wohl gestellt haben! Und was alles wird Er ihnen erzählt haben!

Nun - das Evangelium ist auch heute noch genauso aktuell…

Ich verstehe sehr gut, was du meinst, wenn du mir über dein Apostolat schreibst: "Jetzt werde ich drei Stunden Gebet mit meinem Physik-Lehrbuch halten… Mit diesem Aufopfern will ich die >Stellung< auf der anderen Seite des Tisches hier in der Bibliothek erobern… Ich meine jenen Freund, den Sie schon von damals kennen, als Sie hier waren."

Genau erinnere ich mich noch an deine Freude, als du damals von mir hörtest, daß es zwischen Gebet und Arbeit keinen Bruch geben darf.

Die Gemeinschaft der Heiligen: der junge Ingenieur, der mir sagte: "Vater, an dem und dem Tag, um soundsoviel Uhr, haben Sie für mich gebetet" - der hatte sie deutlich erfahren.

Das Gebet ist und bleibt unsere allererste und fundamentalste Hilfeleistung für die Seelen.

Gewöhne dir an, wie die kleinen Kinder frühmorgens schon, beim Anziehen, kleine Gebete zu sprechen.

Dann wirst du den Tag über leichter das Bewußtsein von der Gegenwart Gottes in dir bewahren.

Das Rosenkranzgebet ist von besonderer Wichtigkeit für alle, die hauptsächlich geistige Arbeit leisten oder die studieren. Denn die scheinbar monotonen Wiederholungen eines Kindes, das seine Mutter, Unsere Liebe Frau, anfleht, zerstört nach und nach die Keime des eitlen Geltungsbedürfnisses und des Stolzes.

"Du Unbefleckte Jungfrau, ich weiß wohl, daß ich in meiner menschlichen Gebrechlichkeit nichts anderes tue, als Tag für Tag die Menge meiner Sünden zu vermehren…" Dies sei deine Art, mit Maria, unserer Mutter, zu sprechen, sagtest du mir vor ein paar Tagen.

Ich gab dir den entschiedenen Rat, den Rosenkranz zu beten: Gesegnet sei die "Eintönigkeit" des immer wiederholten "Gegrüßet seist du, Maria", die die Eintönigkeit deiner Sünden wettmacht!

Eine bedauerliche Art, das Rosenkranzgebet schließlich ganz zu unterlassen, ist, es auf die letzte Stunde des Tages zu verschieben.

Vor dem Zubettgehen betet man den Rosenkranz - wenn überhaupt - schlecht und ohne die Geheimnisse zu betrachten. Man verfällt dann leicht in bloße Routine, die die wahre, die einzig mögliche Frömmigkeit erstickt.

Den Rosenkranz zu beten heißt nicht bloß, die Lippen zu bewegen und die einzelnen "Gegrüßet seist du, Maria" hinzumurmeln. Das ist das Plappern der Frömmler…

Das mündliche Gebet des Christen soll aus dem Herzen kommen, und zwar so, daß der Geist sich dabei in die Betrachtung der einzelnen Geheimnisse versenken kann.

Du verschiebst den Rosenkranz solange auf "später", bis du ihn schließlich ganz unterläßt - denn es ist schon Zeit zum Schlafengehen. - Solltest du wirklich keine Zeit finden, dann bete ihn unauffällig auf der Straße. Das kann dir außerdem dazu verhelfen, die Gegenwart Gottes lebendig zu halten.

"Bete für mich" - sagte ich ihm, so wie ich es immer zu sagen pflege. Er fragte verwundert: "Wieso? Ist Ihnen etwas passiert?"

Ich mußte ihm erklären, daß jedem von uns in jedem Augenblick etwas "passiert", und ich fügte hinzu: Wo es an Gebet mangelt, da passiert noch mehr und da drücken die Dinge noch schwerer.

Erwecke viele Male am Tage in deinem Herzen Regungen der Reue! Denke daran, daß Jesus unaufhörlich beleidigt wird und daß hierfür, leider, nicht ebenso unaufhörlich gesühnt wird.

Deshalb sage ich immer wieder: Verrichten wir kurze Stoßgebete der Reue! Je mehr, desto besser! Tu es mir darin nach: mit deinem Leben und mit deinen guten, aufrichtigen Ratschlägen für die anderen um dich herum…

Wie liebenswert ist die Szene der Verkündigung! Wir haben sie oft im Geiste betrachtet: Maria betet, gesammelt, Leib und Seele ganz auf das Gespräch mit Gott gerichtet. Im Gebet erfährt sie den Willen Gottes, und betend läßt sie diesen Willen zum Leben ihres Lebens werden. Vergiß das Beispiel Unserer Lieben Frau nicht!

Verzeichnis der Schriftstellen
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