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*Homilie, gehalten am 14. April 1960, Gründonnerstag

Das Osterfest war nahe. Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen sei, da Er aus der Welt zum Vater gehen sollte; und da Er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, so liebte Er sie bis ans Ende (Joh 13,1). Diese Worte des heiligen Johannes sind für den Leser seines Evangeliums wie ein Signal: An diesem Tag wird etwas Großes geschehen. Sie sind eine Einstimmung auf das Kommende - gleich jenen, die der heilige Lukas in seinen Bericht aufnimmt: Sehnlichst, so versichert der Herr, habe ich danach verlangt, dieses Ostermahl mit euch zu halten, bevor ich leide (Lk 22,15). Beginnen wir damit, den Heiligen Geist schon jetzt zu bitten, Er möge uns fähig machen, jedes Wort und jede Geste Jesu Christi zu begreifen: weil wir ein übernatürliches Leben führen wollen, weil der Herr uns seinen Willen kundgetan hat, sich als Nahrung für unsere Seelen hinzugeben, und weil wir erkennen, daß allein Er Worte des ewigen Lebens (Joh 6,69) hat.

Im Glauben bekennen wir mit Simon Petrus: Wir haben geglaubt und erkannt, daß Du der Christus bist, der Sohn des lebendigen Gottes (Joh 6,70). Und eben dieser Glaube, mit unserer Frömmigkeit verschmolzen, läßt uns in diesen entscheidenden Augenblicken die Kühnheit von Johannes nachahmen: uns Jesus zu nähern und den Kopf an die Brust des Meisters zu lehnen (Vgl. Joh 13,25), der die Seinen mit brennender Liebe liebte und - wir haben es soeben gehört - bis ans Ende lieben wird.

Jeder Versuch, das Geheimnis des Gründonnerstag auch nur annähernd zu erklären, verrät nur unser Unvermögen. Aber es ist nicht so schwer zu ahnen, was das Herz Jesu Christi an jenem Abend empfand, dem letzten, den Er vor seinem Opfer auf KaIvaria mit den Seinen verbrachte.

Vergegenwärtigt euch einmal eine so menschliche Erfahrung wie den Abschied zweier Menschen, die sich lieben. Sie möchten für immer zusammen bleiben, aber die Pflicht, irgendeine Pflicht zwingt sie, auseinander zu gehen. Am liebsten würden sie sich niemals trennen, aber es steht nicht in ihrer Macht. Da die Liebe des Menschen, mag sie auch noch so groß sein, auf Grenzen stößt, muß sie sich hier mit Zeichen helfen, etwa mit einem Photo und darunter eine so glühende Widmung, daß man meinen könnte, das Papier müsse in Flammen aufgehen. Mehr können sie nicht tun, denn das Tun der Menschen reicht nicht so weit wie ihr Wollen.

Aber der Herr kann das, was wir nicht können. Jesus Christus, vollkommener Gott und vollkommener Mensch, hinterläßt uns nicht ein Zeichen, sondern eine Wirklichkeit: Er selbst ist es, der bleibt. Er wird zum Vater gehen und bei den Menschen bleiben. Er gibt uns nicht bloß ein Geschenk, das die Erinnerung an Ihn wachhalten soll, etwa ein Bild, dessen Konturen mit der Zeit verblassen, oder ein Photo, das vergilbt und denen belanglos erscheint, die damals nicht dabei waren. Er selbst ist wirklich gegenwärtig unter den Gestalten von Brot und Wein: gegenwärtig mit seinem Leib, seinem Blut, seiner Seele und seiner Gottheit.

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