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Ständiger Kampf

Der Christ führt einen ständigen Krieg. Denn in seinem Innenleben muß er stets beginnen und immer wieder neu beginnen. Dies verhindert, daß wir hochmütig werden und uns einbilden, wir seien bereits vollkommen. Schwierigkeiten auf unserem Weg sind unvermeidlich. Würden wir nicht auf Hindernisse stoßen, wären wir keine Menschen aus Fleisch und Blut; immer werden wir mit Leidenschaften zu tun haben, die uns nach unten ziehen, und immer werden wir uns gegen diese mehr oder weniger heftigen Angriffe zur Wehr setzen müssen.

Es dürfte für uns nichts Neues sein, wenn wir an Leib und Seele den Stachel des Stolzes, der Sinnlichkeit, des Neides, der Faulheit und die Neigung spüren, die Menschen um uns zu tyrannisieren. Es ist ein altbekanntes Übel, das uns die eigene Erfahrung immer wieder bestätigt; es ist der Ausgangspunkt und der gewohnte Hintergrund unseres inneren Wettkampfes um den Sieg, unseres Laufs zum Hause des Vaters. Deshalb sagt uns der heilige Paulus: Ich laufe daher, aber nicht ins Ungewisse; ich kämpfe, aber nicht wie einer, der bloße Luftstreiche ausführt, sondern ich züchtige meinen Leib und bringe ihn in Dienstbarkeit, damit ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt habe, selbst verworfen werde (1 Kor 9, 26-27).

Der Christ kann nicht auf äußere Zeichen oder auf eine günstige innere Stimmung warten, um diesen Kampf aufzunehmen oder durchzustehen. Das innere Leben ist nicht Sache des Gefühls oder der Stimmung, sondern Sache der Gnade Gottes und unseres Wollens, Sache der Liebe. Alle Jünger vermochten Christus am Tage seines Triumphes in Jerusalem nachzufolgen, aber fast alle ließen Ihn im Stich zur Stunde der Schande des Kreuzes.

Um wirklich zu lieben, sind Starkmut und Treue nötig, das Herz muß fest verankert sein in Glauben, Hoffnung und Liebe. Nur wer leichtfertig und oberflächlich ist, ändert launenhaft den Gegenstand seiner Liebe, die dann aber nicht Liebe ist, sondern Befriedigung des Egoismus. Wo Liebe ist, da ist auch vollständige Hingabe: die Fähigkeit, sich zu schenken, die Bereitschaft zu Opfer und Verzicht. Und gerade in dieser Hingabe, im Opfer und im Verzicht, in der Qual der Widrigkeiten finden wir Glück und Freude. Diese Freude wird uns nichts und niemand nehmen können.

In diesem Kampf aus Liebe dürfen uns Stürze nicht betrüben - selbst schwere nicht -, wenn wir reuevoll und mit guten Vorsätzen im Sakrament der Buße bei Gott unsere Zuflucht suchen. Der Christ ist nicht krampfhaft darauf bedacht, von Gott einen tadellosen Leistungsnachweis zu erhalten. So sehr Jesus Christus, unser Herr, ergriffen ist von der Unschuld und Treue des Johannes - als Petrus nach seinem Fall reuevoll umkehrt, wendet Er sich ihm voll Liebe wieder zu. Jesus hat Verständnis für unsere Schwachheit und zieht uns wie über eine sanft ansteigende Ebene zu sich hin. Er erwartet nur, daß wir uns immer wieder bemühen, täglich ein wenig höher zu kommen. Er sucht uns auf, wie Er die beiden Jünger von Emmaus aufsuchte und sie begleitete, und wie Er den Thomas aufsuchte, ihm die offenen Wunden seiner Hände und seiner Seite zeigte und ihn aufforderte, sie mit seinen Fingern zu berühren. Gerade weil Jesus unsere Schwachheit kennt, wartet Er ständig darauf, daß wir zu Ihm zurückkehren.

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