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Der andere Feind, von dem der heilige Johannes spricht, ist die Begierde der Augen - eine abgrundtiefe Gier, die uns nur das schätzen läßt, was man betasten kann. Es sind Augen, die am Irdischen kleben, aber auch Augen, die eben deshalb unfähig sind, das Übernatürliche zu entdecken. Wir können also das Wort der Heiligen Schrift auch auf die Gier nach materiellen Gütern beziehen und darüber hinaus auf jene verzerrte Sicht, die uns alles, was uns umgibt - die anderen Menschen, unser Leben und unsere Zeit - rein menschlich betrachten läßt.

Die Augen der Seele trüben sich, der Verstand hält sich allein für fähig, alles zu verstehen, ohne Gott in Betracht zu ziehen. Es ist eine subtile Versuchung, die sich geschickt auf die Würde der menschlichen Vernunft beruft, die Gott, unser Vater, dem Menschen gegeben hat, damit er Ihn erkenne und in Freiheit liebe. Getrieben von dieser Versuchung, hält sich die menschliche Vernunft für die Mitte des Universums; sie berauscht sich noch einmal an dem ihr werdet wie Götter sein (Gen 3,5), und indem sie sich in sich selbst verliebt, wendet sie sich von der Liebe zu Gott ab.

Auf diesem Weg können wir in die Hände des dritten Feindes, der superbia vitae, geraten. Dabei handelt es sich nicht nur um vorübergehende Gedanken der Eitelkeit oder der Selbstliebe: Es ist eine umfassende Aufgeblasenheit. Täuschen wir uns nicht: Dies ist das schlimmste Übel und der Ursprung aller Irrwege. Der Kampf gegen den Hochmut muß beharrlich sein. Nicht von ungefähr hat man treffend gesagt, diese Leidenschaft sterbe erst einen Tag nach dem Tod des Menschen. Es ist der Übermut des Pharisäers, und es widerstrebt Gott, ihn zu rechtfertigen, da Er bei ihm auf eine Mauer der Selbstgerechtigkeit stößt. Es ist die Arroganz, die dazu führt, die anderen Menschen zu verachten, sie zu beherrschen und zu mißhandeln; denn wo Hochmut, dort Beleidigung und Entwürdigung (Spr 11,2).

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