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Persönliche Freiheit

Der Christ darf in seiner Arbeit - die seine Pflicht ist - die Eigengesetzlichkeit des Irdischen weder umgehen noch verachten. Verstünde man unter dem Ausdruck die menschlichen Tätigkeiten segnen, die ihnen eigene Dynamik außer Kraft zu setzen oder zu übersehen, würde ich den Ausdruck meiden. Mir hat es nie gefallen, daß die gewöhnlichen menschlichen Tätigkeiten einen konfessionellen Anstrich, ein Etikett tragen. Ich respektiere die gegenteilige Meinung; aber mir scheint, daß man dabei Gefahr läuft, den heiligen Namen unseres Glaubens zu mißbrauchen. Gelegentlich ist außerdem das katholische Etikett gebraucht worden, um Haltungen und Tätigkeiten zu rechtfertigen, die, menschlich gesehen, nicht ganz ehrenhaft waren.

Da die Welt und alles, was es in ihr gibt - außer der Sünde -, gut ist, denn die Welt ist aus den Händen Gottes hervorgegangen, hat der Christ die Aufgabe, Seite an Seite mit seinen Mitbürgern alles Irdische als seinen Aufgabenbereich zu betrachten, im beharrlichen Kampf, Gott nicht zu beleidigen - in einem Kampf aus Liebe. Er hat alle Güter zu verteidigen, die sich aus der Würde der Person herleiten.

Ganz besonders darf er das Gut der persönlichen Freiheit nicht aus dem Auge verlieren. Nur wenn er die individuelle Freiheit der anderen, die immer zugleich auch persönliche Verantwortung bedeutet, mit menschlicher und christlicher Redlichkeit zu verteidigen weiß, wird er ebenso auch die eigene verteidigen können. Ich kann nicht umhin, immer wieder darauf hinzuweisen, daß der Herr uns unverdient ein großes übernatürliches Geschenk gegeben hat: seine göttliche Gnade, und eine weitere herrliche menschliche Gabe: die persönliche Freiheit. Sie verlangt von uns Redlichkeit, das wirksame Bemühen, unser Leben dem Gesetz Gottes zu unterstellen, denn wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (2 Kor 3,17). Ohne dies entartet sie zu Willkür und Verantwortungslosigkeit.

Das Reich Christi ist ein Reich der Freiheit, und in diesem Reich gibt es keine anderen Knechte als die, die sich, aus Liebe zu Gott, in Freiheit binden. Gesegnete Knechtschaft der Liebe, die uns frei macht! Ohne Freiheit können wir nicht der Gnade entsprechen; ohne Freiheit können wir uns nicht dem Herrn frei hingeben, in einer Hingabe, die einen sehr übernatürlichen Grund hat: weil wir es so wollen.

Einige von euch, die mir jetzt zuhören, kennen mich schon seit vielen Jahren. Ihr könnt bestätigen, daß ich mein Leben lang die persönliche Freiheit und die persönliche Verantwortung gepredigt habe. Ich habe sie überall gesucht und suche sie immer noch, wie Diogenes den Menschen suchte. Ich liebe sie jeden Tag mehr, ich liebe sie über alles; sie ist ein Schatz, unschätzbar groß.

Wenn ich von der persönlichen Freiheit rede, dann keineswegs als Vorwand, um über Fragen zu sprechen, die - mögen sie noch so berechtigt sein - mich als Priester nichts angehen. Es steht mir nun einmal nicht zu, weltliche, zeitgebundene Themen zu behandeln. Sie gehören in den zeitlichen und staatsbürgerlichen Bereich, den der Herr der freien, sachlichen Diskussion überlassen hat. Ich weiß auch, daß der Priester einen engstirnigen Gruppengeist zu vermeiden hat und seinen Mund nur auftun soll, um die Seelen zu Gott, zu seiner geistlichen Heilslehre, zu den von Christus eingesetzten Sakramenten und zum inneren Leben zu führen, das uns dem Herrn näherbringt und uns erfahren läßt, daß wir seine Kinder sind und deswegen Brüder aller Menschen.

Wir feiern heute das Christkönigsfest. Ich mißbrauche nicht mein Amt als Priester, wenn ich sage, daß jemand, der das Reich Christi als politisches Programm deuten möchte, die übernatürliche Ausrichtung des Glaubens nicht verstanden hat. Er wäre im Begriff, das Gewissen anderer mit einer Last zu beladen, die nicht die Last Christi ist, denn sein Joch ist sanft und seine Bürde ist leicht (Mt 11,30). Bemühen wir uns, alle Menschen wirklich zu lieben; lieben wir Christus über alles, und dann werden wir nicht anders können, als im friedlichen und vernünftigen Zusammenleben mit den anderen Menschen deren rechtmäßige Freiheit zu lieben.

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