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Wir Christen tragen die kostbaren Schätze der Gnade in irdenen Gefäßen (VgI. 2 Kor 4,7). Gott hat seine Gaben der zerbrechlichen und schwachen menschlichen Freiheit anvertraut; auch wenn der Herr uns mit seiner Kraft beisteht, versperren manchmal unsere Begierde, unsere Bequemlichkeit und unser Hochmut den Weg der Gnade und verleiten uns zur Sünde. Schon seit langem, seit etwa 25 Jahren habe ich die Gewohnheit, wenn ich das Credo bete und die Göttlichkeit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche bekenne, einen kurzen Zusatz hinzuzufügen: trotz allem. Wenn ich dies jemandem erzähle und er mich fragt, was ich damit meine, antworte ich ihm: deine Sünden und meine Sünden.

Mag dies auch noch so wahr sein, es berechtigt uns nicht dazu, über die Kirche rein menschlich und ohne den übernatürlichen Glauben zu urteilen, den Blick nur auf den höheren oder niedrigeren Fähigkeitsgrad mancher Amtsträger und mancher anderer Christen gerichtet. Dies würde bedeuten, an der Oberfläche zu bleiben. Das Wichtigste in der Kirche ist nicht der Blick für die Antwort der Menschen, sondern der Blick für das Handeln Gottes. Die Kirche ist Christus unter uns, sie ist Gott, der auf die Menschheit zugeht, um sie dadurch zu heilen, daß Er uns mit seiner Offenbarung ruft, mit seiner Gnade heiligt und uns erhält durch seinen immerwährenden Beistand in den kleinen und großen Kämpfen des Alltags.

Es kann dahin kommen, daß wir den Menschen mißtrauen - ja, jeder muß sich selbst mißtrauen und den Tag mit einem mea culpa, mit einem tiefen und aufrichtigen Reueakt beschließen; aber wir haben nicht das Recht, Gott zu mißtrauen. Und es hieße, an Gott zweifeln, und es wäre mangelnder Glaube an das Gekommensein des Heiligen Geistes, würden wir die Kirche, ihren göttlichen Ursprung und die Heilsmächtigkeit ihrer Verkündigung und ihrer Sakramente in Zweifel ziehen.

Bevor Christus gekreuzigt wurde - schreibt Johannes Chrysostomus -, gab es keine Versöhnung. Und solange es Versöhnung nicht gab, wurde der Heilige Geist nicht gesandt… Die Abwesenheit des Heiligen Geistes war Zeichen des göttlichen Zornes. Jetzt, wenn du siehst, daß Er in Fülle gesandt wurde, zweifle nicht an der Versöhnung. Man mag fragen: Wo ist denn jetzt der Heilige Geist? DamaIs, als Wunder geschahen, Tote zum Leben erweckt und Aussätzige geheilt wurden, konnte man von seiner Gegenwart sprechen. Aber wie sollen wir jetzt wissen, daß Er wirklich anwesend ist? Seid unbesorgt, ich will euch zeigen, daß der Heilige Geist auch jetzt unter uns ist…

Wenn es den Heiligen Geist nicht gäbe, könnten wir nicht sagen: Herr Jesus, "denn keiner kann sagen: Jesus ist der Herr! außer im Heiligen Geiste" (1 Kor 12,3). Wenn es den Heiligen Geist nicht gäbe, könnten wir nicht mit Vertrauen beten. Denn, wenn wir beten, sagen wir: "Unser Vater im Himmel" (Mt 6,9). Wenn es den Heiligen Geist nicht gäbe, könnten wir Gott nicht Vater nennen. Und wie wissen wir das ? Weil uns der Apostel lehrt: "Weil ihr Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater!" (GaI 4,6).

Wenn du also Gott den Vater anrufst, bedenke, daß es der Geist gewesen ist, der deine Seele berührt und dir dieses Gebet eingegeben hat. Wenn es den Heiligen Geist nicht gäbe, würde es in der Kirche kein einziges Wort der Weisheit oder des Wissens geben, denn es steht geschrieben: "Durch den Geist wird Weisheitsrede gegeben" (1 Kor 12,8)… Wenn der Heilige Geist nicht anwesend wäre, würde es keine Kirche geben. Wenn es aber Kirche gibt, so ist es sicher, daß der Heilige Geist nicht fehlt (Johannes Chrysostomus, Sermones panegyrici in solemnitates D. N. Jesu Christi, hom. 1, De Sancta Pentecoste, Nr. 3-4 [PG 50,457]).

Über alle Fehler und alle Beschränktheit des Menschen hinweg ist die Kirche - ich wiederhole es - das Zeichen und im gewissen Sinne - wenn auch nicht im strengen Sinne der dogmatischen Definition über die sieben Sakramente des Neuen Bundes - Sakrament: das Ursakrament der Gegenwart Gottes in der Welt. Christsein bedeutet, aus Gott wiedergeboren sein und zu den Menschen gesandt sein, um ihnen das Heil zu verkünden. Hätten wir einen starken, lebendigen Glauben und würden wir mit Kühnheit Christus verkünden, dann sähen auch unsere Augen Wunder, Wunder wie damals zur apostolischen Zeit.

Denn auch heute werden Blinde geheilt, die es nicht mehr vermochten, aufzublicken und die Großtaten Gottes zu sehen; Lahme werden befreit, die an ihre Leidenschaften gefesselt waren und die Fähigkeit zur Liebe verloren hatten; Taube hören wieder, die nichts von Gott wissen wollten; Stumme erlangen die Sprache, deren Zunge gebunden war durch die Weigerung, Niederlagen einzugestehen; Tote stehen auf, denen die Sünde das Leben genommen hatte. Wieder einmal erfahren wir es, voll Leben ist Gottes Wort und voll Kraft und schärfer als jedes zweischneidige Schwert (Hebr 4,12). Wie die ersten Christen freuen wir uns, staunend über die Kraft des Heiligen Geistes und über sein Wirken im Verstand und im Herzen der Geschöpfe.

Verzeichnis der Schriftstellen
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