117

*Homilie, gehalten am 19. Mai 1966, Christi Himmelfahrt

Wieder einmal führt uns die Liturgie das letzte Geheimnis im Leben Jesu Christi unter den Menschen vor Augen: seine Himmelfahrt. Seit der Geburt zu Bethlehem ist vieles geschehen: Wir haben Ihn in der Krippe gefunden, angebetet von Hirten und Königen; wir haben Ihn in Nazareth betrachtet, wie Er jahrelang in der Stille arbeitete; wir haben Ihn auf seinen Wegen durch Palästina begleitet, während Er den Menschen das Reich Gottes verkündete und allen Gutes erwies. Später dann, an den Tagen seines Leidens, haben wir mitgelitten, als wir sahen, wie sie Ihn anklagten, mit welcher Wut sie Ihn peinigten, mit welchem Haß sie Ihn kreuzigten.

Dem Schmerz folgte die große Freude der Auferstehung: welch sicherer und fester Grund für unseren Glauben! Jetzt dürften wir nicht mehr zweifeln. Aber wie die Apostel sind wir vielleicht immer noch schwach und fragen Christus an diesem Tag seiner Himmelfahrt: Stellst Du jetzt das Königreich Israel wieder her? (Vgl. Apg 1,6) Werden jetzt unser Wankelmut und unsere Erbärmlichkeiten für immer verschwinden?

Der Herr antwortet mit seiner Himmelfahrt. Auch wir verharren, wie die Apostel, halb staunend, halb traurig, weil Er uns zurückläßt. Denn es ist wahrhaftig nicht leicht, sich an die leibliche Abwesenheit Jesu zu gewöhnen. Mich bewegt der Gedanke, daß Er, in einer Großtat der Liebe, gegangen und doch geblieben ist: Er ist in den Himmel aufgefahren, und Er schenkt sich uns als Nahrung in der heiligen Hostie. Aber wir vermissen sein menschliches Wort, seine Art zu handeln, zu blicken, zu lächeln und Gutes zu tun. Gern würden wir Ihn noch einmal ganz aus der Nähe betrachten, wie Er sich müde vom anstrengenden Weg am Brunnen niedersetzt (Vgl. Joh 4,6), wie Er um Lazarus weint (Vgl. Joh 11,35), wie Er lange im Gebet verweilt (Vgl. Lk 6,12), wie Er sich der Volksmenge erbarmt (Vgl. Mt 15,32; Mk 8,2).

Für mich ist es immer logisch und ein Grund zur Freude gewesen, daß Christus in seiner heiligsten Menschheit zur Herrlichkeit des Vaters aufgestiegen ist, aber ich denke auch, daß diese Spur von Traurigkeit am Tage der Himmelfahrt des Herrn ein Zeichen unserer Liebe zu Jesus ist. Er, vollkommener Gott, wurde Mensch, vollkommener Mensch, Fleisch von unserem Fleisch und Blut von unserem Blut. Und Er trennt sich von uns, um in den Himmel aufzufahren. Wie sollten wir Ihn nicht vermissen?

Diesen Punkt in einer anderen Sprache