Die Eucharistie, Geheimnis des Glaubens und der Liebe

*Homilie, gehalten am 14. April 1960, Gründonnerstag

Das Osterfest war nahe. Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen sei, da Er aus der Welt zum Vater gehen sollte; und da Er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, so liebte Er sie bis ans Ende (Joh 13,1). Diese Worte des heiligen Johannes sind für den Leser seines Evangeliums wie ein Signal: An diesem Tag wird etwas Großes geschehen. Sie sind eine Einstimmung auf das Kommende - gleich jenen, die der heilige Lukas in seinen Bericht aufnimmt: Sehnlichst, so versichert der Herr, habe ich danach verlangt, dieses Ostermahl mit euch zu halten, bevor ich leide (Lk 22,15). Beginnen wir damit, den Heiligen Geist schon jetzt zu bitten, Er möge uns fähig machen, jedes Wort und jede Geste Jesu Christi zu begreifen: weil wir ein übernatürliches Leben führen wollen, weil der Herr uns seinen Willen kundgetan hat, sich als Nahrung für unsere Seelen hinzugeben, und weil wir erkennen, daß allein Er Worte des ewigen Lebens (Joh 6,69) hat.

Im Glauben bekennen wir mit Simon Petrus: Wir haben geglaubt und erkannt, daß Du der Christus bist, der Sohn des lebendigen Gottes (Joh 6,70). Und eben dieser Glaube, mit unserer Frömmigkeit verschmolzen, läßt uns in diesen entscheidenden Augenblicken die Kühnheit von Johannes nachahmen: uns Jesus zu nähern und den Kopf an die Brust des Meisters zu lehnen (Vgl. Joh 13,25), der die Seinen mit brennender Liebe liebte und - wir haben es soeben gehört - bis ans Ende lieben wird.

Jeder Versuch, das Geheimnis des Gründonnerstag auch nur annähernd zu erklären, verrät nur unser Unvermögen. Aber es ist nicht so schwer zu ahnen, was das Herz Jesu Christi an jenem Abend empfand, dem letzten, den Er vor seinem Opfer auf KaIvaria mit den Seinen verbrachte.

Vergegenwärtigt euch einmal eine so menschliche Erfahrung wie den Abschied zweier Menschen, die sich lieben. Sie möchten für immer zusammen bleiben, aber die Pflicht, irgendeine Pflicht zwingt sie, auseinander zu gehen. Am liebsten würden sie sich niemals trennen, aber es steht nicht in ihrer Macht. Da die Liebe des Menschen, mag sie auch noch so groß sein, auf Grenzen stößt, muß sie sich hier mit Zeichen helfen, etwa mit einem Photo und darunter eine so glühende Widmung, daß man meinen könnte, das Papier müsse in Flammen aufgehen. Mehr können sie nicht tun, denn das Tun der Menschen reicht nicht so weit wie ihr Wollen.

Aber der Herr kann das, was wir nicht können. Jesus Christus, vollkommener Gott und vollkommener Mensch, hinterläßt uns nicht ein Zeichen, sondern eine Wirklichkeit: Er selbst ist es, der bleibt. Er wird zum Vater gehen und bei den Menschen bleiben. Er gibt uns nicht bloß ein Geschenk, das die Erinnerung an Ihn wachhalten soll, etwa ein Bild, dessen Konturen mit der Zeit verblassen, oder ein Photo, das vergilbt und denen belanglos erscheint, die damals nicht dabei waren. Er selbst ist wirklich gegenwärtig unter den Gestalten von Brot und Wein: gegenwärtig mit seinem Leib, seinem Blut, seiner Seele und seiner Gottheit.

Die Freude des Gründonnerstag

Wie leicht versteht sich jetzt der unablässige Lobpreis der Christen zu allen Zeiten vor der heiligen Hostie. Preise, Zunge, das Geheimnis dieses Leibs voll Herrlichkeit und des unschätzbaren Blutes, das der Herr der Völker, aus einer fruchtbaren Mutter geboren, zum Loskauf der Welt vergossen hat (Hymnus Pange lingua). Den verborgenen Gott wollen wir ehrfürchtig anbeten (Vgl. Adoro te devote, Hymnus des Thomas von Aquin). Es ist Jesus Christus, der aus Maria, der Jungfrau, geboren wurde, derselbe, der gelitten und sich am Kreuz geopfert hat, derselbe, aus dessen durchbohrter Seite Wasser und Blut flossen (Vgl. Ave verum).

Dies ist das heilige Gastmahl, in dem wir Christus selbst empfangen; das Gedächtnis seines Leidens wird erneuert, die Seele begegnet durch Ihn zuinnerst ihrem Gott und erhält ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit (VgI. Hymnus O sacrum convivium). Die Liturgie der Kirche faßt so in kurzen Strophen die Höhepunkte dieser Geschichte der brennenden Liebe zusammen, die der Herr uns entgegenbringt.

Der Gott unseres Glaubens ist nicht ein entrücktes Wesen, das auf das Schicksal, auf die Not und das Elend der Menschen unbeteiligt herabschaut. Er ist ein Vater, der seine Kinder so sehr liebt, daß Er das Wort, die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, in die Welt sendet, damit Es, Fleisch geworden, für uns sterbe und uns erlöse. Es ist derselbe liebende Vater, der uns jetzt sanft zu Christus hinzieht durch das Wirken des Heiligen Geistes, der in unseren Herzen wohnt.

Die Freude des Gründonnerstag hat hier ihre Wurzel: in der Erkenntnis, daß der Schöpfer sich in einem Überfluß an Liebe seinen Geschöpfen zuneigt. Als ob all die vielen Beweise seiner Barmherzigkeit nicht genügten, setzt unser Herr Jesus Christus die Eucharistie ein, damit wir Ihm immer nahe sein können, und - soweit es hier überhaupt ein Begreifen gibt - weil die Liebe Ihn, dem nichts ermangelt, antreibt, nicht ohne uns zu bleiben. Die Dreifaltigkeit ist ganz in Liebe dem Menschen zugetan, der emporgehoben ist zur Ebene der Gnade, geschaffen nach ihrem Ebenbild und Gleichnis (Gen 1,26); Sie hat ihn von der Sünde erlöst - von der Sünde Adams, die auf seine ganze Nachkommenschaft übergegangen ist, und von den persönlichen Sünden jedes einzelnen - und Sie sehnt sich danach, in unserer Seele zu wohnen: Wer mich liebt, wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen (Joh 14,23).

Die Eucharistie und das Geheimnis der Dreifaltigkeit

Dieser dreifaltige Strom der Liebe zu den Menschen dauert in erhabener Weise fort in der Eucharistie. Vor Jahren haben wir alle im Katechismus gelernt, daß die heilige Eucharistie als Opfer und als Sakrament betrachtet werden kann, und daß das Sakrament sich uns als Kommunion und als ein Schatz auf dem Altar erweist: im Tabernakel. Die Kirche widmet dem eucharistischen Geheimnis, dem Leib Christi, Corpus Christi - überall in der Welt im Tabernakel zugegen - ein weiteres Fest, Fronleichnam. Heute, am Gründonnerstag, wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf die heilige Eucharistie, Opfer und Nahrung, in der heiligen Messe und in der heiligen Kommunion richten.

Ich sprach von einem dreifaltigen Strom der Liebe zu den Menschen. Wo sonst kommt er stärker zum Ausdruck als in der heiligen Messe? Die ganze Dreifaltigkeit wirkt beim heiligen Meßopfer mit. Deshalb gefällt mir jene Schlußformel im Altargebet, in der Sekret und der Postcommunio so sehr: Durch unsern Herrn Jesus Christus, Deinen Sohn - wir wenden uns ja an den Vater -, der mit Dir lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

In der heiligen Messe wird das Gebet beständig an den Vater gerichtet. Der Priester ist Stellvertreter des ewigen Priesters, Jesus Christus, der zugleich das Opfer ist. Und das Wirken des Heiligen Geistes in der heiligen Messe ist ebenso geheimnisvoll wie gewiß. Durch die Kraft des Heiligen Geistes, schreibt der heilige Johannes Damaszenus, wird die Verwandlung des Brotes in den Leib Christi bewirkt (Johannes Damaszenus, De fide orthodoxa, 13 [PG 194, 1139]).

Dieses Wirken des Heiligen Geistes kommt klar zum Ausdruck, wenn der Priester den göttlichen Segen auf die Opfergaben herabruft: Komm, Heiligmacher, allmächtiger, ewiger Gott und segne dieses Opfer, das Deinem heiligen Namen bereitet ist (Missale Romanum, [Offertorium: Anrufung des Heiligen Geistes]), das vollkommene Opfer, das dem hochheiligen Namen Gottes die schuldige Ehre erweisen wird. Die Heiligung, die wir erflehen, wird dem Tröster zugeschrieben, den uns der Vater und der Sohn senden. Wir bekennen ebenso die aktive Teilnahme des Heiligen Geistes beim Opfer, wenn wir kurz vor der Kommunion beten: Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, dem Willen des Vaters gehorsam, hast Du unter Mitwirkung des Heiligen Geistes durch Deinen Tod der Welt das Leben geschenkt… (Missale Romanum, [Vorbereitungsgebet auf die Kommunion])

Die ganze Dreifaltigkeit ist beim Opfer des Altares gegenwärtig. Dem Willen des Vaters gehorsam und unter Mitwirkung des Heiligen Geistes bringt sich der Sohn als Erlösungsopfer dar. Wir müssen den Umgang mit der Heiligsten Dreifaltigkeit, dem einen und dreipersönlichen Gott lernen, mit den drei göttlichen Personen in der Einheit ihrer Wesenheit, ihrer Liebe, ihres wirksamen heiligmachenden Tuns.

Unmittelbar nach der Händewaschung betet der Priester: Heilige Dreifaltigkeit, nimm diese Opfergabe an, die wir Dir darbringen zum Andenken an das Leiden, die Auferstehung und die Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus (Missale Romanum, [Offertorium: Aufopferungsgebet zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit]). Und am Ende der heiligen Messe flehen wir in liebender Unterwerfung den einen und dreieinigen Gott an: Placeat tibi, Sancta Trinitas, obsequium servitutis meae… Heiliger, dreieiniger Gott, nimm die Huldigung Deines Dieners wohlgefällig an. Laß das Opfer, das ich Unwürdiger vor den Augen Deiner Majestät dargebracht habe, Dir wohlgefällig sein, und gib, daß es mir und allen, für die ich es darbrachte, durch Dein Erbarmen zur Versöhnung gereiche (Missale Romanum, [Bitte um Annahme des Opfers vor dem Schlußsegen]).

Die heilige Messe - merken wir uns dies - ist ein göttliches, trinitarisches Handeln, nicht menschliches Tun. Der zelebrierende Priester unterstellt sich der Absicht des Herrn, indem er Ihm seinen Körper und seine Stimme leiht; aber er handelt nicht im eigenen Namen, sondern in persona et in nomine Christi, in der Person Christi und im Namen Christi.

Die Liebe der Dreifaltigkeit zu den Menschen bewirkt, daß aus der Gegenwart Christi in der Eucharistie für die Kirche und für die Menschheit alle Gnaden entströmen. Dieses ist das Opfer, das Malachias vorhersagte: Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang ist mein Name groß unter den Völkern; und an jedem Ort bringt man meinem Namen ein demütiges Opfer dar und eine reine Gabe (Mal 1,11). Es ist das Opfer Christi, das dem Vater unter Mitwirkung des Heiligen Geistes dargebracht wird: ein Opfer von unendlichem Wert, das in uns jene Erlösung verewigt, die die Opfer des Alten Bundes nicht bewirken konnten.

Die heilige Messe im Leben des Christen

Die heilige Messe führt uns so zu den grundlegenden Geheimnissen des Glaubens, denn sie ist das Geschenk der Dreifaltigkeit an die Kirche. Daher leuchtet es ein, daß sie Mitte und Wurzel im geistlichen Leben des Christen ist. Auf sie sind alle Sakramente hingeordnet (Vgl. Thomas von Aquin, S. Th., III, q. 65 a. 3). Und das Leben der Gnade, das durch die Taufe in uns eingesenkt wurde und, durch die Firmung gestärkt, in uns wächst, geht durch die heilige Messe seiner Vollendung entgegen. Wenn wir an der Eucharistie teilnehmen, schreibt der heilige Cyrill von Jerusalem, erfahren wir die vergöttlichende Vergeistigung durch den Heiligen Geist, die uns nicht nur mit Christus gleichförmig macht, wie in der Taufe, sondern uns gänzlich verchristlicht, indem sie uns an der Fülle Jesu Christi teilhaben läßt (Cyrill von Jerusalem, Catecheses, 22, 3).

Die Ausgießung des Heiligen Geistes, die uns christusförmig macht, führt uns zu der Erkenntnis, daß wir Kinder Gottes sind. Der Tröster, der die Liebe ist, lehrt uns, auf diese Tugend unser ganzes Leben zu gründen; und consummati in unum (Joh 17,23), einsgeworden mit Christus, können wir unter den Menschen das sein, was nach dem heiligen Augustinus die Eucharistie ist: Zeichen der Einheit, Band der Liebe (Augustinus, In Ioannis Evangelium tractatus, 26, 13 [PL 35, 1613]).

Ich verrate nichts Neues, wenn ich sage, daß einige Christen eine sehr ärmliche Auffassung von der heiligen Messe haben; für manche ist sie bloß ein äußerer Ritus, manchmal nur eine gesellschaftliche Konvention. Denn unser Herz ist in seiner Erbärmlichkeit fähig, selbst das größte Geschenk Gottes an die Menschen routinemäßig zu empfangen. In der heiligen Messe, in dieser heiligen Messe, die wir jetzt feiern, wirkt - ich wiederhole es - die Heiligste Dreifaltigkeit auf eine besondere Weise. Nur mit voller Hingabe des Leibes und der Seele können wir eine solche Liebe erwidern: Wir hören Gott, wir sprechen mit Ihm, wir sehen Ihn, wir verkosten Ihn. Und wenn Worte nicht ausreichen, dann singen wir und lassen vor allen Menschen unsere Zunge - Pange, lingua! - die Großtaten des Herrn preisen.

Die heilige Messe feiern heißt, ununterbrochen im Gebet verharren; denn sie ist für jeden einzelnen von uns eine persönliche Begegnung mit Gott: Wir beten Ihn an, wir loben Ihn, wir flehen zu Ihm, wir sagen Ihm Dank, wir sühnen für unsere Sünden, wir läutern uns, wir wissen uns in Christus mit allen Christen vereint.

Vielleicht haben wir uns manchmal gefragt, womit wir so viel Liebe Gottes erwidern können; vielleicht haben wir dann auch den Wunsch nach einem klaren Leitfaden christlichen Lebens verspürt. Die Lösung ist einfach und jeder Gläubige kann sie verwirklichen: in Liebe die heilige Messe mitfeiern, in der heiligen Messe lernen, Gott zu begegnen; denn in diesem Opfer ist alles enthalten, was der Herr von uns will.

Ich möchte euch jetzt an etwas erinnern, das ihr oft genug selbst beobachtet habt: den Ablauf der liturgischen Zeremonien. Wenn wir ihnen Schritt für Schritt folgen, ist es sehr wohl möglich, daß der Herr einen jeden von uns entdecken läßt, worin wir uns bessern sollen, welche Fehler wir ausmerzen müssen, wie wir uns als Brüder aller Menschen verhalten sollen.

Der Priester wendet sich zum Altar Gottes, zu Gott, der uns erfreut von Jugend auf. Die heilige Messe beginnt mit einem Ruf der Freude, denn Gott ist zugegen. Und diese Freude äußert sich, voll Verehrung und Liebe, im Küssen des Altartisches - ein Symbol für Christus und ein Gedenken an die Heiligen: ein kleiner, aber geheiligter Ort, da hier das Sakrament unendlicher Wirksamkeit vollzogen wird.

Das Confiteor führt uns unsere Erbärmlichkeit vor Augen; nicht eine abstrakte Erinnerung an unsere Schuld, sondern die konkrete Gegenwart unserer Sünden und unserer Fehler. Darum wiederholen wir: Kyrie eleison, Christe eleison. Herr, erbarme Dich unser, Christus erbarme Dich unser. Wäre die Vergebung, deren wir bedürfen, von unseren Verdiensten abhängig, so würden jetzt Trauer und Bitterkeit unsere Seele erfüllen. Aber dank der göttlichen Güte erhalten wir Vergebung durch das Erbarmen Gottes, den wir dann gleich preisen: Gloria! - Denn Du allein bist der Heilige, Du allein der Herr, Du allein der Höchste, Jesus Christus, mit dem Heiligen Geiste in der Herrlichkeit Gottes des Vaters.

Wir hören jetzt die Worte der Schrift, die Lesung und das Evangelium, die Licht des Heiligen Geistes sind, der zu uns in menschlichen Worten spricht, damit unser Verstand erkenne und betrachte, unser Wille sich festige und unser Tun gelinge. Denn wir sind ein einziges Volk, das einen einzigen Glauben, ein Credo bekennt, ein Volk, versammelt in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes (Cyprian, De dominica oratione, 23 [PL 4, 553]).

Es folgt die Opferung: Brot und Wein, Gaben der Menschen. Es ist nicht viel, aber wir verbinden sie mit unserem Gebet: Laß uns, Herr, im Geiste der Demut und mit zerknirschtem Herzen bei Dir Aufnahme finden. So werde unser Opfer heute vor Deinem Angesichte, auf daß es Dir wohlgefalle, Herr und Gott. Und abermals überkommt uns der Gedanke an unser Elend und der Wunsch, alles, was wir dem Herrn darbringen, möge rein und lauter sein: Ich will meine Hände waschen, ich liebe die Zierde Deines Hauses.

Bereits vor der Händewaschung hatten wir den Heiligen Geist angerufen und Ihn gebeten, Er möge das Opfer segnen, das seinem heiligen Namen dargebracht wird. Gleich danach wenden wir uns an die Dreifaltigkeit - Suscipe Sancta Trinitas -, damit Sie die Opfergabe annehme, die wir zum Andenken an das Leben, das Leiden, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi, zu Ehren der allzeit reinen Jungfrau Maria und zu Ehren aller Heiligen darbringen.

Der Priester betet dann das Orate fratres, auf daß dieses Opfer allen zum Heile gereiche; denn es ist mein und euer Opfer, das der ganzen heiligen Kirche. Betet Brüder, auch wenn ihr euch nur zu wenigen zusammengefunden habt; auch wenn sichtbar nur ein einziger Christ zugegen wäre, ja selbst wenn der Priester allein wäre: denn jede Messe ist das universale Opfer, der Loskauf aller Stämme und Sprachen, aller Völker und Nationen (Vgl. Offb 5,9).

Durch die Gemeinschaft der Heiligen wird allen Christen die Gnade jeder heiligen Messe zuteil, ganz gleich, ob sie in Anwesenheit von Tausenden gefeiert wird, oder ob vielleicht nur ein Kind, noch dazu zerstreut, dem Priester die Messe dient. Immer vereinigen sich Himmel und Erde, um zusammen mit den Engeln Gottes einzustimmen: Sanctus, Sanctus, Sanctus…

Mein Lobpreis verbindet sich mit dem der Engel, denn ich weiß, daß sie mich umgeben - die Dreifaltigkeit anbetend -, wenn ich die heilige Messe feiere. Und ich weiß auch, daß Maria irgendwie mitwirkt auf Grund ihrer innigen Verbundenheit mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und weil sie die Mutter Christi ist, seines Fleisches und Blutes; Jesus Christus, vollkommener Gott und vollkommener Mensch, hat Maria zur Mutter. Sie empfing Ihn ohne Zutun eines Mannes, einzig aus der Kraft des Heiligen Geistes, und sie gab Ihm das Blut, jenes Blut, das auf GoIgotha und in der heiligen Messe als Erlösungsopfer dargebracht wird.

Wir beginnen mit dem Hochgebet, in dem kindlichen Vertrauen, in dem wir unseren Vater Gott den gütigsten - clementissime Pater - nennen. Wir bitten Ihn für die Kirche und für alle in ihr, für den Papst, für unsere Familie, für unsere Freunde und Bekannten. Und hier bittet der katholische Christ mit einem weltweiten Herzen für die ganze Welt, denn nichts darf von unserem glühenden Eifer ausgeschlossen bleiben. Damit unser Bitten Gehör finde, gedenken wir der Gemeinschaft mit der glorreichen, allzeit jungfräulichen Gottesmutter Maria und mit jener Handvoll Menschen, die als erste Christus folgten und für Ihn starben.

Quam oblationem… Wir nähern uns nun dem Augenblick der Wandlung. Jetzt in der heiligen Messe ist es wiederum Christus, der durch den Priester handelt: Das ist mein Leib. Das ist der Kelch meines Blutes. - Jesus ist unter uns! Mit der Transsubstantiation wiederholt sich die grenzenlose göttliche Torheit der Liebe. Wenn heute dieser Augenblick kommt, wollen wir versuchen, jeder von uns, dem Herrn in unserem Herzen zu sagen, daß nichts uns von Ihm trennen soll, daß sein wehrloses Sichausliefern unter den gebrechlichen Gestalten von Brot und Wein uns freiwillig zu Sklaven gemacht hat: Praesta meae menti de te vivere, et te illi semper dulce sapere (Adoro te devote). Gewähre mir, daß meine Seele aus Dir lebt und immerdar Deine Milde verspürt.

Neue Bitten schließen sich an - denn wir Menschen sind fast immer zum Bitten geneigt: für unsere verstorbenen Brüder, für uns selbst. Hier können wir all unsere Untreue und unsere Erbärmlichkeit einschließen, eine schwere Last, aber Er will sie für uns und mit uns tragen. Das Hochgebet endet mit einem erneuten Anruf der Heiligsten Dreifaltigkeit: per Ipsum, et cum Ipso, et in Ipso… durch Christus, mit Christus und in Christus, unserer Liebe, wird Dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Ehre und Verherrlichung von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Jesus ist der Weg, der Mittler; in Ihm besitzen wir alles; ohne Ihn nichts. In Christus, und durch Ihn belehrt, wagen wir es, den Allmächtigen Vater unser zu nennen. Er, der Himmel und Erde gemacht hat, ist dieser liebende Vater, der darauf wartet, daß wir immer wieder zu Ihm zurückkehren in der Haltung des verlorenen Sohnes.

Ecce Agnus Dei… Domine, non sum dignus… Wir werden den Herrn bald empfangen. Zu einem würdigen Empfang hochangesehener Menschen gehören Licht, Musik, festliche Kleidung; und wie erst müssen wir uns vorbereiten, um Christus in unsere Seele aufzunehmen? Haben wir schon einmal darüber nachgedacht, wie wir uns benehmen würden, wenn wir nur einmal in unserem Leben Christus empfangen könnten?

Während meiner Kindheit war die häufige Kommunion noch nicht verbreitet. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, mit welcher Sorgfalt man Körper und Seele auf ihren Empfang vorbereitete: Man zog den besten Anzug an, wusch und kämmte sich besonders gut und gebrauchte vielleicht sogar ein wenig Parfum…; lauter Aufmerksamkeiten von Menschen, die es verstehen zu lieben und feinfühlig und stark Liebe mit Liebe zu vergelten.

Mit Christus in uns beenden wir die heilige Messe: Der Segen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes begleitet uns während des ganzen Tages bei unserer einfachen alltäglichen Aufgabe, alle gottgewollten menschlichen Tätigkeiten zu heiligen.

Bei der heiligen Messe werdet ihr lernen, wie man jeder einzelnen der göttlichen Personen begegnet: dem Vater, der den Sohn zeugt; dem Sohn, der aus dem Vater gezeugt ist; dem Heiligen Geist, der von beiden ausgeht. An welche der drei Personen wir uns auch richten, wir richten uns immer nur an den einen Gott; und indem wir uns an alle Drei in der Dreieinigkeit richten, richten wir uns in gleicher Weise an den einzigen und wahren Gott. Liebt die heilige Messe, meine Kinder, liebt die heilige Messe. Geht voll Verlangen zur Kommunion, auch wenn ihr innerlich kalt seid, auch wenn das Gefühl nicht antwortet: Kommuniziert mit Glauben, mit Hoffnung, mit brennender Liebe.

Umgang mit Jesus Christus

Der liebt Christus nicht, der die heilige Messe nicht liebt, der sich nicht anstrengt, sie ruhig und aufmerksam, andächtig und liebevoll mitzufeiern. Die Liebe macht die Liebenden feinfühlig; sie läßt sie kleine Aufmerksamkeiten entdecken, die manchmal kaum bemerkbar sind, aber immer von einem leidenschaftlichen Herzen zeugen. Auf diese Weise sollen wir die heilige Messe mitfeiern. Und deshalb habe ich immer den Verdacht, daß diejenigen, die sich die heilige Messe kurz und hastig wünschen, mit einer solchen - im übrigen wenig eleganten - Haltung verraten, daß sie die Bedeutung des heiligen Opfers noch nicht begriffen haben.

Die Liebe zu Christus, der sich für uns darbietet, drängt uns dazu, nach Beendigung der heiligen Messe für einige Minuten in persönlicher, intimer Danksagung zu verweilen, um in der Stille des Herzens jene andere Danksagung, welche die Eucharistie ist, zu verlängern. Wie aber sollen wir uns an Ihn wenden, wie Ihn ansprechen, wie uns verhalten?

Das christliche Leben entfaltet sich nicht nach starren Richtlinien; denn der Heilige Geist lenkt die Menschen nicht kollektiv, sondern Er schenkt jedem einzelnen jene Vorsätze, Eingebungen und Regungen, die ihm helfen werden, den Willen des Vaters zu erkennen und zu erfüllen. Ich denke jedoch, daß oft während der Danksagung nach der heiligen Messe der Kern unseres Gespräches mit Christus der Gedanke sein kann, daß für uns der Herr König, Arzt, Lehrer und Freund ist.

Er ist König und will in unseren Herzen, den Herzen der Kinder Gottes, herrschen. Denken wir aber nicht an eine Herrschaft wie unter Menschen, so als wolle Christus uns beherrschen, noch sucht Er sich aufzudrängen, denn Er ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen (Mt 20,28).

Seine Herrschaft ist der Frieden, die Freude, die Gerechtigkeit. Christus, unser König, erwartet von uns nicht leere Beteuerungen, sondern Taten, denn nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut, der wird eingehen (Mt 7,21).

Er ist Arzt und heilt unseren Egoismus, wenn wir seine Gnade bis ins tiefste unserer Seele eindringen lassen. Jesus hat uns gemahnt, daß die schlimmste Krankheit die Heuchelei ist, jener Stolz, der uns dazu bringt, die eigenen Sünden zu verhehlen. Beim Arzt ist eine absolute Aufrichtigkeit unerläßlich; es gilt, die Wahrheit lückenlos aufzudecken und zu sagen: Domine, si vis, potes me mundare (Mt 8,2), Herr, wenn Du willst - und Du willst immer -, kannst Du mich heilen. Du kennst meine Gebrechen; ich spüre diese Symptome, ich leide an jenen Schwächen; und wir zeigen Ihm einfach unsere Geschwüre und auch den Eiter, wenn es ihn gibt. Herr, Du hast ja so viele Menschen geheilt: Laß mich Dich als göttlichen Arzt erkennen, wenn ich Dich im Herzen habe oder Dich im Tabernakel anbete.

Er ist Lehrer einer Wissenschaft, die nur Er beherrscht: die Wissenschaft der grenzenlosen Liebe zu Gott und, in Gott, zu allen Menschen. In der Schule Christi lernen wir, daß unser Dasein nicht uns gehört: Er gab sein Leben für alle Menschen hin, und wenn wir Ihm nachfolgen, müssen wir begreifen, daß wir nicht egoistisch unser Leben für uns behalten, noch der Not der anderen aus dem Wege gehen dürfen. Unser Leben haben wir von Gott, und wir müssen es in seinem Dienst einsetzen, indem wir uns großzügig um die Menschen kümmern und ihnen mit Wort und Beispiel die Tragweite der christlichen Lehre zeigen.

Jesus erwartet, daß wir aufrichtig wünschen, uns diese Wissenschaft anzueignen, damit Er auch an uns die Worte richten kann: Wen dürstet, der komme zu mir und trinke (Joh 7,37). Und wir antworten: Lehre uns, uns selbst zu vergessen, damit wir an Dich und an alle Menschen denken. So wird uns der Herr mit seiner Gnade voranbringen, ähnlich wie damals, als wir - noch kleine Kinder - schreiben lernten: Erinnert ihr euch noch, wie der Lehrer uns die Hand führte? Und wir werden uns immer mehr daran freuen, unseren Glauben, dieses Geschenk Gottes, durch unmißverständliche Züge einer christlichen Lebensführung, an denen alle Menschen die Großtaten Gottes ablesen können, bekannt zu machen.

Christus ist ein Freund, der Freund. Vos autem dixi amicos (Joh 15,15), sagt Er. Er nennt uns Freunde, Er, der den ersten Schritt getan hat; Er, der uns zuerst geliebt hat. Dennoch drängt Er uns seine Liebe nicht auf: Er bietet sie uns an und stellt seine Freundschaft deutlich unter Beweis: Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde (Joh 15,13). Er war der Freund des Lazarus und weinte um ihn, als Er sah, daß er tot war: und Er erweckte ihn auf. Wenn Er uns kalt und lustlos sieht oder vielleicht sogar in unserem Innenleben so erstarrt, daß es abzusterben droht, dann wird sein Weinen für uns Leben sein: Ich befehle dir, mein Freund, steh auf und gehe (Vgl. Joh 11,43; Lk 5,24), laß dieses Leben, das kein Leben ist, hinter dir.

Die Zeit unserer Betrachtung am Gründonnerstag geht zu Ende. Wenn der Herr uns geholfen hat - und Er ist immer bereit dazu, wenn wir Ihm nur unser Herz öffnen -, werden wir uns gedrängt fühlen, Ihm eine Antwort zu geben im Allerwichtigsten: in der Liebe. Und es wird uns gelingen, durch ein Leben des Dienens diese Liebe an die Menschen weiterzugeben. Ich habe euch ein Beispiel gegeben (Joh 13,15), sagt Jesus im Kreise seiner Jünger nach der Fußwaschung in der Abendmahlsnacht. Verbannen wir Stolz, Ehrgeiz und Herrschsucht aus unserem Herzen; dann werden Frieden und Freude, verwurzelt in unserem persönlichen Opfer, um uns und in uns herrschen.

Wenden wir uns zum Schluß wie Kinder vertrauensvoll an Maria, die Mutter Gottes und unsere Mutter. Entschuldigt, wenn ich noch einmal eine Kindheitserinnerung aufgreife: ein Bild, das in meiner Heimat sehr verbreitet war, als der heilige Pius X. die häufige Kommunion angeregt hatte; es zeigte Maria in Anbetung vor der heiligen Hostie. Heute, wie damals und wie immer, lehrt uns Unsere Liebe Frau den Umgang mit Jesus, Ihn zu erkennen und Ihn immer wieder im Alltag zu finden - besonders aber während des erhabenen Augenblicks der heiligen Messe, wo sich Zeit und Ewigkeit vereinen: Jesus zieht in der Haltung des Ewigen Priesters alles an sich, um es divino afflante Spiritu, im Hauch des Heiligen Geistes, in die Gegenwart Gottes des Vaters zu bringen.

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